+++ Und plötzlich stand die Zeit still +++ Drucken
Geschrieben von: sh/skj   
Donnerstag, den 29. Juli 2021 um 20:45 Uhr

 

2021-07-29-2021-07-29-2021.07.29.katahr-200Es sind diese Gänsehautmomente im Leben, die einen Menschen prägen und die ihm Kraft geben. Momente, inmitten der größten Verzweiflung und Katastrophe, die die Bundesrepublik Deutschland je ereilt hat, die Sonnenstrahlen in das größte Dunkel bringen. 

Aber von Beginn an:
Am Dienstag, den 20. Juli, machte sich ein Hilfeleistungskontingent der Feuerwehr Halle (Saale) bestehend aus 84 Kräften und 16 Fahrzeugen der Freiwilligen und der Berufsfeuerwehr Halle auf in das Katastrophengebiet nach Ahrweiler. Untergebracht waren die Feuerwehrleute im Bereitstellungsraum auf dem Nürburgring. Von hier aus wurden die verschiedenen Einsatzkontingente aus ganz Deutschland koordiniert und ihren Einsatzstellen zugewiesen.
So verschlug es das Hallenser Kontingent am nächsten Morgen ins ca. 40 km entfernte Sinzig. Hier unterstützten sie beim Keller auspumpen, Schutt wegräumen, bei der Feststellung von Gefahrstoffen wie Heizöl und vielem mehr. Am spätem Nachmittag mussten die Kräfte bei einer vermeintlichen Wasserrettung unterstützen. In kürzester Zeit waren auf beiden Seiten einer noch vorhandenen Ahrbrücke Rettungsschwimmer, Hilfeleistungsmaßnahmen und Leinen zum Einsatz vorbereitet. Außerdem unterstützte die mitgeführte Drohne bei der Lagebilderstellung. Zur Erleichterung aller konnte jedoch keine Person im Wasser entdeckt werden und die Maßnahmen konnten beendet werden. Aufgrund der Schnelligkeit all dieser Maßnahmen war die einheimische Feuerwehr beeindruckt von der Professionalität der halleschen Floriansjünger.

In den folgenden beiden Tagen verschlug es die Kräfte in den besonders stark betroffenen Ort Schuld. Hier führten sie ähnliche Maßnahmen durch wie am vergangenen Tag in Sinzig. Regelmäßig wurde außerdem die Straße gewässert, die aufgrund des vom Hochwasser mitgeführten, mittlerweile getrockneten Schlamms, stark verstaubt waren. Während dieser Arbeit fuhr ein Radlader mit einem undefinierbaren, vermeintlichen Steinbrocken die Straße herauf. Dieser wurde schließlich auf dem Bürgersteig abgestellt und die halleschen Feuerwehrkräfte wurden darum gebeten, diesen etwas zu säubern. Nach und nach kamen die Konturen von Figuren zum Vorschein, als ein junger, einheimischer Feuerwehrmann sich regelrecht darauf stürzte und mit bloßen Händen den Schlamm von diesem stark verschmutzten Figuren zu lösen versuchte. Er umarmte das Denkmal förmlich dabei, welches sich später als Kriegsdenkmal für die im 2. Weltkrieg gefallenen Bürger Schulds herausstellte. Die Anwohner, die sich in unmittelbarer Nähe befanden, blieben stehen und brachen zu Teilen in Tränen aus. Das war dieser Moment, der Hoffnung bescherte, in einer Zeit, umgeben von Zerstörung, von Menschen, die alles verloren haben, von nicht mehr vorhandener Infrastruktur, von einem Bild der Verwüstung, in dem kein Stein mehr auf dem anderen steht. „Ich hatte Gänsehaut und das Gefühl als stünde die Zeit still“, sagte später ein Hallenser Feuerwehrmann. „Diesen Moment verbrachten wir in absoluter Demut vor diesen Menschen, die alles verloren haben und doch nicht aufgeben. Denen wir durch unsere Unterstützung in diesem Moment so viel Kraft und Energie gaben, dass sie uns aus Freude und unter Tränen umarmten.“ Und genau einen solchen Moment durften die Kräfte am nächsten Tag im benachbarten Hönningen nochmals erfahren. Hier unterstützten sie unter anderem bei der Säuberung der St. Hubertus Kapelle, die im Jahre 1614 geweiht wurde und deren Glocke sogar noch älter ist. Pünktlich um 18 Uhr war die Säuberung soweit fortgeschritten, dass durch einen Verantwortlichen diese Glocke geläutet werden konnte. Als das Läuten erklang, ließen alle Bewohner der Straße ihre Arbeit ruhen, kamen aus ihren Häuser geeilt und lauschten dem Geläut. Ein besonderer Moment in einer schwierigen Zeit, mit dem wir aber auch an diesem Tag wieder etwas Hoffnung spenden konnten.

Am Sonntag unterstützten die Kräfte in der Einsatzleitung in Ahrbrück sowie auch wieder beim Beräumen von Schutt und Schlamm.

Fazit, die Einsatzkräfte der Feuerwehr Halle haben viele Bilder gesehen, die es in den nächsten Monaten gilt, zu verarbeiten. Aber vor allem haben sie Menschen kennengelernt, die sie gelehrt haben, dankbar und demütig zu sein. Denn diese Menschen haben alles verloren, aber sich dennoch ihren Mut, ihren Zusammenhalt und ihre Spiritualität erhalten. Dies wird den Einen oder Anderen noch länger als Vorbild begleiten.

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